Spiekermann News - Gutachten Erneuerung kommunaler Schienenstrecken

Gutachten: Erneuerung kommunaler Schienenstrecken

1.700 km Gleise, 2.900 Weichen bzw. Kreuzungen, 2.500 Bahnsteige, 21 km Brücke, 130 km Tunnel, 170 unterirdische Stationen, 22 Betriebshöfe und 1.400 Fahrzeuge – eine imposante Anzahl für ein Gutachten! 15 kommunale Verkehrsunternehmen respektive 33 beteiligte Städte wurden in die nun dem Auftraggeber „Ministerium für Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen“ vorliegende Untersuchung einbezogen. Ziel war die Feststellung, was für den weiterhin sicheren Betrieb der kommunalen Bahnen, also Straßenbahn, Stadtbahn, Hochbahn und Schwebebahn, in den nächsten Jahrzehnten erforderlich ist. Mit der Beauftragung für das Gutachten hatte sich das Land Nordrhein-Westfalen 2016 nach der Anpassung des ÖPNV-Gesetzes eindeutig zur Förderung von Erhaltungsinvestitionen bekannt.

Vorgehen in drei Schritten bis zur Priorisierung der Erhaltungsmaßnahmen

Die Bearbeitung erfolgte in drei aufeinander aufbauenden Blöcken. Alle Anlagen der kommunalen Bahnen wurden zusammengestellt und die Erhaltungszustände bzw. Erneuerungszeitpunkte erfasst. Daraus wurden die notwendigen Erhaltungsmaßnahmen sowie eine Prognose der Reinvestitionen abgeleitet. Die Priorisierung der Maßnahmen mittels gesamtwirtschaftlicher Bewertung schließt das Gutachten ab.

Damit liegen die quantitativen Grundlagen vor, die einen Überblick über die Höhe und den zeitlichen Verlauf des Finanzbedarfs bieten. Auf diesen Erkenntnissen beabsichtigt das Verkehrsministerium, die in die Förderung einzubeziehenden Anlagengruppen festzulegen, die Zuwendungshöhe zu bestimmen und die zugehörigen Verwaltungsvorschriften auszuformulieren.

Umfangreiche Erhebung der Anlagen aller Schienennetze

Auf Basis der ab Herbst 2016 zusammengetragenen Informationen der Verkehrsunternehmen und Kommunen ergibt sich die Anzahl der Anlagen, deren bautechnische Spezifika sowie deren Altersstruktur. So einfach sich das anhört: hier steckte eine Menge Arbeit und Kommunikation mit den 15 Verkehrsunternehmen und 33 beteiligten Kommunen. Um die Struktur der Erhebung anzulegen, wurden zu Beginn drei Verkehrsunternehmen zum Test von Verfahren und Verfügbarkeit von Infrastrukturdaten ausgewählt. Diese ersten Ergebnisse und Erfahrungen flossen in die eigentliche Erhebung ein und waren notwendig, um flächendeckend vergleichbare Daten zu erhalten.

Im weiteren Verlauf wurden die Erhaltungszustände entweder nach Auswertung vorhandener Unterlagen oder aufgrund der Beurteilung von Seiten der Spiekermann Experten festgestellt – für jede Anlagenart waren dazu methodisch spezifische Arbeitsschritte notwendig.

Aus den Bewertungen leiten sich die Erneuerungszeitpunkte ab, die in einem Kalender zusammengestellt wurden. Bei langfristiger Betrachtung werden relativ kurzlebige Anlagen wiederholt zu erneuern sein. Hier ist zu berücksichtigen, dass die Verkehrsunternehmen mit der Intensität der Instandhaltung das Nutzungsende deutlich beeinflussen können und dies mit Rücksicht auf ihre Planungskapazitäten und finanziellen Ressourcen auch tun.

Kosten zur Erneuerung der Infrastruktur

Zur Abschätzung der Baukosten für die jeweiligen Erneuerungen der Anlagen wurden Einheitspreise für alle Anlagenarten unter Berücksichtigung von zusätzlichen Kennwerten aus vorliegenden Erfahrungen zugrunde gelegt. Konkrete Einzelplanungen konnten im Rahmen dieses Gutachtens unmöglich geleistet werden, deshalb wurde hier von einer 1:1 Erneuerung ausgegangen.

Bedeutung von Streckenabschnitten

Die Vielzahl der Einzelanlagen wurde insgesamt 452 Streckenabschnitten zugeordnet (davon 398 zu bewertende Fahrplanstrecken). Die Bewertung erfolgte mit dem Fokus auf die verkehrliche Bedeutung anhand von Kennzahlen, die die Prioritäten der jeweiligen Streckenabschnitte bestimmen, unabhängig von der zeitlichen Dringlichkeit der Finanzmittelbereitstellung der jeweiligen Reinvestitionen.

Betriebshöfe sowie die Fahrzeuge des schienengebundenen ÖPNV wurden nicht eigenständig bewertet und priorisiert, da sie eine Voraussetzung darstellen, um den Nutzen der Strecken überhaupt zu realisieren. Diese Kosten fließen bei den Streckenbewertungen implizit über die Betriebskosten ein.

Reinvestition in Milliardenhöhe stehen tatsächlich an

Die Investitionskosten hören sich enorm an, allerdings ist bei den umfangreichen Schienennetzen in NRW eine solche Summe zu erwarten. Insgesamt ergibt sich bis zum Jahr 2031 ein Reinvestitionsvolumen von 6,7 Mrd. Euro. Den mit Abstand größten Einzelposten machen dabei die Fahrzeuge aus, gefolgt von den Reinvestitionen in die Strecken. Für die zur Förderung relevanten und zeitlich anstehenden Anlagen der oberirdischen Strecken, Haltestellen und Brücken ergibt sich damit ein Reinvestitionsvolumen von über 3 Mrd. Euro.

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Endlich ein einheitliches Schienensystem?

Eine zusätzliche Frage drängte sich auf: Soll künftig ein einheitliches Schienensystem für Straßen- und Stadtbahnen in NRW umgesetzt werden? Die Antwort der Gutachter ist eindeutig: Nein! Die heutigen Netze der kommunalen Bahnen mit ihren variierenden Standards erweisen sich als weit entwickelt. Die verschiedenen Systeme ergänzen sich in der Regel, so dass verkehrlich sinnvolle Linienbildungen zustande kommen. Statt technischer Einheitlichkeit ist Durchlässigkeit durch Mehrsystemfähigkeit der Schlüssel (Mehrschienengleise, Fahrzeuge mit variabler Spannungsverträglichkeit oder doppelt ausgerüsteter Zugsicherungstechnik, geteilte Hoch- und Niederflurbahnsteige).

Was geschieht nun als nächstes?

Die Kommunen und Verkehrsunternehmen können die Zeit des Wartens jedoch sinnvoll nutzen, indem sie ihre Projekte der Infrastrukturerneuerung soweit vorbereiten, dass sie nach der getroffenen Entscheidung der Landesregierung zeitnah die bereitgestellten Mittel abrufen können.

Das Ministerium wird nach Diskussion und Wertung der Ergebnisse seine Entscheidung zur Förderung der Reinvestitionen in kommunale Schienennetze treffen und dann die anstehende Verwaltungsvorschrift ausarbeiten.